Die blaue Familie
Heinz-Jürgen Hauzel
Die Geschichte des Biebricher Fußballvereins ist auch eine Geschichte der Familien. Väter, die sich engagieren, solange der Sohn in 02-Mannschaften kickt, gab und gibt es in
großer Zahl. Aber auch darüber hinaus, quasi ohne eine derartigen "Verpflichtung" fühlten und fühlen sich Familien über Genrationen den Blauen verbunden. Christian Kraus,
der Vater des so talentierten Christel, der in den 30er Jahren schon im Notizbuch von Reichstrainer Sepp Herberger stand und im Krieg fiel, wurde 1946 in schwierigster Zeit für zwei Jahre
Vorsitzender, wurde Ehrenmitglied und engagierte sich 1952 im Jubiläums-Festausschuss.
Jürgen Kraft, nach seinem Wechsel von Biebrich 19 seit über einem Jahrzehnt Spielausschuss-Vorsitzender, spannt die ganze Verwandschaft ein, wennes darum geht, die Reserve zu besetzen
oder das Klubheim zu renovieren. Sohn Thorsten hat sich aus der Jugend über die zweite in die erste Mannschaft gespielt, zählte bei den zahlreichen Umbrüchen des letzten Jahrzehnts zu
den wesentlichen stabilisierenden Elementen. Er ist mittlerweile dienstältester Spieler - gemeinsam mit Kapitän Kurt Migge, dessen Bruder Jürgen nach seinen tollen Torwartjahren als
Vorstandsmitglied, Trainer und Festorganisator bis zu diesem Tag einer der wichtigsten Stützen des Vereins ist. Und Vater Kurt Migge, der als aktiver Fußballer seine große Zeit bei
der Wiesbadener Germania erlebte, greift den Blauen regelmäßig mit Geld- und Sachspenden unter die Arme. Werner Kuhn, dessen Erika in den ersten Jahren zu den guten Geistern im neuen
Vereinsheim zählte, und Schwager Günter Busse sitzen gemeinsam im Vorstand. Für handwerkliche Arbeiten im Klubheim oder für die großen 02-Feste muss der ganze Nordenstadter
Clan mit ran. Drei Brüder Tobies spielten zeitweise für die Blauen, während Schwester Walli an der Kasse oder hinterm Tresen stand, bediente und Sekt schlürfte. "Beppo" kickt bei
den Alten Herren, Klaus manchmal sogar noch in der Reserve - und vor allem arbeitet der Vorstandsbeisitzer seit 23 Jahren im Jugendausschuss, war zuletzt mit seiner tollen D-Jugend der erfolgreichste
Trainer im Verein.
So gibt es viele Beispiele, aber die blaue Ur-Familie sind die Seilbergers mit gleich drei Ehrenmitgliedern. Opa Karl war schon 1902 oder 1903 eingetreten und zählte zu den ersten
Mitgliedern. Auch der Vater Wilhelm gehörte zu den ganz frühen 02ern und blieb dem Verein treu bis zu seinem Tod 1994. Günther arbeitete gleich nach dem Krieg als Jugendbetreuer mit
und gestaltete als Spielausschuss-Vorsitzender die erfolgreichsten Jahre der Biebricher Fußballer in der Hessenliga entscheidend mit. Bruder Horst unterstützte ihn, blieb dann aber auch in
den Zeiten des Niedergangs engagiert, wurde 1969 zweiter Vorsitzender und gehörte dank seiner pragmatischen Finanzpolitik zusammen mit Horst Klee zu den Bewahrern der Eigenständigkeit des
Klubs. Gemeinsam mit seiner Frau Inge, die nicht nur im "Treffpunkt" in der Hopfgartenstraße sofort jeden in ihr großes Herz schloss, der sich als Blauer zu erkennen gab, trug er
maßgeblich zur familiären Atmosphäre des neuen BFV bei. Und dieses Klima war es vor allem, das das Fortbestehen sicherte, weil es Mitglieder zu Mitarbeitern machte und ehrenamtliche
Helfer zum dauerhaften Weitermachen bewog.
Vier Generationen der Laufs haben sich in die 02 eingebracht. Balthasar gehörte zum Jugendausschuss, als sein Sohn Günter 1948 eintrat und in den schon damals erfolgreichen
BFV-Nachwuchsmannschaften kickte. Und Günter engagierte sich für die Jugend, als Filius Michael zu Beginn der 70er Jahre ins blaue Trikot schlüpfte. Micki, wie ihn alle bis heute
nennen, war ein ganz großes Talent, ein herausragender Techniker. Er stand in der Meistermannschaft, erzielte im Kelsterbacher Entscheidungsspiel den Siegtreffer, der 1980 den Aufstieg in die
Landesliga besiegelte und war dort über Jahre eine feste Größe, ehe er bei Viktoria Sindlingen den Sprung in die Oberliga wagte. Längst ist er wieder daheim am
Dyckerhoff-Sportfeld, wo er mit seinen einstigen Mitstreitern aus den frühen 80er Jahren die in Wiesbaden über lange Zeit erfolgreichste Alt-Herren-Riege bildete. Die Oldies der Blauen
eilten auf dem Platz und bei Hallenturnieren von Sieg zu Sieg. Aktiv und Spielstark sind sie immer noch, doch macht es sich natürlich bemerkbar, wenn sie heute gegen zum Teil erheblich
jüngere Teams antreten müssen. Stefan hat das Talent von Papa und Opa geerbt, aber - zumindest im Augenblick - nicht so ganz die Begeisterung fürs regelmäßige Training und
fürs Spiel.
Bernd Deider, 1973 Kreismeister mit der Biebricher A-Jugend, dann weit über ein Jahrzehnt als Dauerläufer und Dauerbrenner Stammspieler der ersten Mannschaft, ist nach dem Umzug seines
Weggefährten Wolfgang Schardt nach Ludwigshafen der Chef der Alten Herren. Seine Söhne kicken von klein auf in den 02-Nachwuchsteams. Der jüngere Sven gilt als ganz großes
Talent, gewann in der ersten Saison des neuen Jahrtausends mit der D-Jugend alle Titel, die zu vergeben waren. Dennis ist nicht nur aktiver Jugendspieler, er hilft auch bereits, Fußball zu
organisieren. Mit seinem Freund Stefan Lauf bildete er schon früh die Turnierleitung bei Biebricher AH-Meetings, wenn sich die eigenen Väter unten auf dem Hallenparkett austobten. Auch den
Nostalgiecup der Wiesbadener Traditionsmannschaften bringen die beiden regelmäßig über die Bühne.
Die Familie mit den meisten 02-Mitgliedern heißt freilich Weiß. Kein Weiß, der nicht ein Blauer wäre. Ilona ist im Vorstand für die Bewirtschaftung des Klubheims
verantwortlich. Harald ist nicht nur in der "Gud Stubb" des Vereins und bei den Veranstaltungen wie Mosburgfest, Blaue Nacht und den Turnieren unersetzbares "Mädchen für alles". Er wirkt
auch seit Jahren im Jugendausschuss, springt trotz seines Schichtdienstes immer dort ein, wo er gebraucht wird - und sei es als Linienrichter und Wasserträger der Reserve. Dort spielt auch Sohn
Andreas, während Christopher - bereits mit manchem Titel geschmückt - inzwischen in die B-Jugend aufgerückt ist. Patricia und selbst "Nesthäkchen" Katharina helfen im Klubheim.
"So sparen sie sich daheim eine größere Wohnung", ulken Spötter - aber wenn man`s richtig betrachtet, bleibt nur eins zu sagen: Von solchen Familien müsste es mehr geben.
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